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Die Digitalisierung hat die Customer-Journey im Brillengeschäft erweitert – jetzt ebnet sie den Weg für eine aufregende Zukunft.

3 Min. Lesezeit
Augenoptiker und Patientin bei der Verwendung des Scanners für die individuelle Anpassung in einem Brillengeschäft

Dank einer neuen Welle digitaler Werkzeuge ist die individuelle Anpassung von Brillengestellen für ein breiteres Publikum als je zuvor zugänglich. Hier erfahren Sie, warum Einzelhändler auf die Revolution der Digitalisierung vertrauen sollten – und warum deren Mitarbeiter noch nie so wichtig waren wie heute.

Im Einzelhandel ist die Gewinnspanne entscheidend. Alles, was man tut, jede Entscheidung lässt sich auf eine einfache Gleichung reduzieren: Was sind Kosten und Nutzen? Im Wesentlichen steht damit immer die Frage im Vordergrund: Sind die Ergebnisse die Investition wert? Auch die Personalisierung macht da keine Ausnahme. Von Werkzeugen über Schulungen bis hin zu (fehlenden) Skaleneffekten – die Möglichkeit für Kunden, die von ihnen gekauften Produkte individuell zu gestalten, hat ihren Preis. Ob es sich lohnt, diesen Preis einzukalkulieren, ist in den einzelnen Branchen oft unterschiedlich.

Aber Brillen – und hier insbesondere das Segment der Luxusbrillen – sind etwas Besonderes. In kaum einer anderen Branche lässt sich der Preis, etwas nicht zu tun, so deutlich erkennen wie in dieser. Eine kürzlich durchgeführte empirische Studie mit 4.500 Erwachsenen in Großbritannien und den USA hat gezeigt, dass Einzelhändler in diesen Ländern, die kein personalisiertes Einkaufserlebnis bieten, jedes Jahr Umsatzeinbußen in Höhe von 26 Milliarden Dollar hinnehmen müssen1.

Der Grund dafür ist einfach. Der Einzelhandel im Allgemeinen kann durchaus das wachsende Interesse an Individualität erkennen. Aber Statistiken zeigen, dass Interesse inzwischen zur Notwendigkeit geworden ist, wenn Kunden zum Augenoptiker kommen. Die Studie bestätigt, dass es in diesem Markt vor allem auf die Passform ankommt – dennoch verlässt jeder vierte Erwachsene im Vereinigten Königreich und in den USA die Geschäfte enttäuscht und mit leeren Händen2, weil dessen Bedürfnisse nicht erfüllt werden. Investitionen in die funktionale Anpassung sind heute unverzichtbar – und wir haben bewiesen, dass wir über die digitalen Werkzeuge verfügen, um die Bedürfnisse sowohl von Einzelhändlern als auch Kunden zu erfüllen.

Ein Mann und eine Frau diskutieren bei einem Augenoptiker über eine Brille, hinter ihnen eine Wand mit Brillengestellen.

Dieses Werkzeug heißt: Eyewear Fitting Suite.

Augenoptiker nutzen diese Plattform, um das Gesicht des Kunden mit einem Handheld-Gerät zu scannen, ein anatomisch genaues 3D-Modell zu erstellen und den Kunden dann durch einen Auswahlprozess zu führen. Gemeinsam können sie Formen, Farben, Größen und vieles mehr anpassen, um letztendlich einen perfekt passenden Rahmen für jeden Käufer (und damit auch eine einzigartige Customer-Journey) zu schaffen.

Acuitis, ein führender französischer Einzelhandelskonzern, setzt die Suite seit Dezember 2022 in mehr als 100 Geschäften ein. Augenoptiker und Kunden zeigen großes Interesse an der Technologie. In den ersten neun Monaten wurde der Scanner intensiv genutzt – und das schlug sich im Umsatz nieder. Die Konversionsrate ist hoch, was zu Tausenden von zufriedenen Kunden führt. Diese schätzen insbesondere die Zusammenarbeit auf dem Weg zur optimalen Brille und die Augenoptiker können dieses neue Tool vor Ort nutzen, um ihren Kunden einen besseren Service als je zuvor zu bieten.

Die Rolle der digitalen Fertigungstechnologien

Neben dem Scanner selbst sind es die Fortschritte im 3D-Druck und anderen digitalen Fertigungstechnologien, die es den Einzelhändlern ermöglichen, die Nachfrage nach Individualität zu erfüllen. Genutzt wird hier eine der grundlegenden Eigenschaften des 3D-Druck, die Designfreiheit, um die Nutzerbedürfnisse schnell, kostengünstig und mit Losgröße eins zu erfüllen.

Bei Brillen kann diese Anpassung in vielen Formen erfolgen, von visuellen Aspekten wie einzigartigen Designs und einer Vielzahl von Farben bis hin zu funktionalen Aspekten wie Größe und Platzierung. In jedem Fall geht es immer um die perfekte Passform.

Das Potenzial dieser Werkzeuge ist unbestreitbar. Das bedeutet jedoch nicht, dass eine rein digitale Customer-Journey nicht auch Herausforderungen mit sich bringt.

Was sind diese?

Erstens: Sichtbarkeit. Wie können Einzelhändler das Thema verbreiten, potenzielle Kunden in ihr Geschäft locken und es zu einem zentralen Bestandteil des Einkaufserlebnisses machen? Zweitens: Skalierung. Wie lassen sich diese technologischen Fortschritte über die gesamte Wertschöpfungskette hinweg nutzen, während dabei Service und Ergebnisse an jedem Standort gleich bleiben?

Die Antworten auf diese beiden Fragen drehen sich um ein zentrales Element der Customer-Journey von Brillen, das nie vergessen werden darf: Menschen. Die Optiker, die Experten, die freundlichen Gesichter an der Eingangstür – und natürlich die zufriedenen Kunden, die zu Botschaftern werden und durch Mundpropaganda Werbung machen. Die Technik, so gut sie auch sein mag, ist nichts ohne die Menschen dahinter. Wenn Einzelhändler wollen, dass ihre Kunden an ihre neue digitale Reise glauben, müssen zuerst die eigenen Mitarbeiter daran glauben.

Um dies zu erreichen, ist es wichtig, dass Einzelhändler nicht nur finanziell investieren, indem sie in die digitale Fertigung oder Plattformen wie die Eyewear Fitting Suite investieren. Sie müssen auch Zeit investieren. Optiker müssen nicht nur wissen, wie es funktioniert, sondern auch, welche Rolle die Suite bei der Customer-Journey spielt. Die Software ist kein Ersatz, sondern ein Hilfsmittel, um ihren Kunden einen besseren Service und eine wirklich individuelle Lösung zu bieten – von der sie dann auch ihren Freunden erzählen werden.

So könnte die Zukunft aussehen, in der jeder Kunde das Geschäft mit einer Brille verlässt, die perfekt sitzt.

1,2: Thaw, G., 2019. Delivering a Fitted Experience in eyewear, A Research Study Into the Importance of Fit on Buyer Experience, s.l.: fitsyou.fuel3d.com.


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Porträt von Alireza Parandian

Treffen Sie den Autor

Alireza Pandarian

Head of Global Strategy Wearables bei Materialise


Alireza Parandian leitet die globale Geschäftsstrategie für additiv gefertigte Wearables bei Materialise. Nach Abschluss seiner Doktorarbeit über neue Technologien und Strategieentwicklung an der Technischen Universität Delft war er 2012 Mitbegründer des Unternehmens InnovationFab, wo er umfangreiche Erfahrungen bei der Förderung von Nutzung neuer Technologien zur Entwicklung von Produktinnovationen sammelte und mehrere von der EU finanzierte Projekte zur digitalen Fertigung leitete. Seit 2014 nutzte er seinen multidisziplinären Hintergrund, um die starke Co-Creation-Kultur von Materialise weiterzuentwickeln, was zu langjährigen Kooperationen und wirklich sinnvollen Anwendungen für die additive Fertigung geführt hat.

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