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Polymere, Produktivität und Richtlinien: 3D-Druck-Trends im Jahr 2019

7 Min. Lesezeit|Veröffentlicht Dezember 11, 2018
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Der 3D-Druck ist eine langsame Revolution. Keine typisch plötzliche, aber eben doch eine Revolution, wenn wir bedenken, was die Technologie ermöglicht: innovative lebensrettende Lösungen, neuartige Geschäftsmodelle, eine vollkommen neue Art und Weise, Produkte zu gestalten. Die Umwälzungen erfolgen jedoch nie über Nacht, sondern im Laufe der Jahrzehnte in kleinen, wichtigen Schritten. Auch im nächsten Jahr werden Entwicklungen die Revolution befeuern.

Doch was sind 2019 die großen Trends der Branche? Wir haben Experten von Materialise, darunter CEO Fried Vancraen, kontaktiert, um das herauszufinden.

1. Anwendungen, nicht Technologien, werden die 3D-Druckindustrie voranbringen

Als wir die Trends des 3D-Drucks für 2018 vorhersagten, stand der nutzungsorientierte Ansatz bereits im Rampenlicht. Wir hatten festgestellt, dass sich der Fokus der Branche von der Entwicklung neuer Technologien hin zur Identifizierung sinnvoller Anwendungen für den 3D-Druck verlagerte. Im Jahr 2019 wird sich diese Tendenz verstärken, da die anwendungsorientierte Herangehensweise des 3D-Drucks in der Finanzwelt an Bedeutung gewinnen dürfte.

Fried Vancraen, Materialise CEO, erklärt, dass wir bereits gesehen haben, wie die Räder 2018 in Bewegung gesetzt wurden:

Investitionen gehen nicht mehr an Maschinenhersteller, sondern an Unternehmen und Start-ups, die mit dem 3D-Druck einen echten Mehrwert in bestimmten Bereichen schaffen.

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Die Skischuhe von “Tailored Fits” sind ein Beispiel für die durch den 3D-Druck mögliche kundenindividuelle Massenfertigung.

In Asien ist dies ein klarer Trend. Die dortigen Regierungen, die bisher in die Entwicklung der Technologie und den Bau von 3D-Druckern investierten, fördern inzwischen Beratungs- und Co-Creation-Projekte im Bereich des 3D-Drucks. Ziel ist es, den Pool der Branchen, die 3D-Druck nutzen, zu erweitern. Dadurch soll ein Markt mit einer Nachfrage nach additiv gefertigten Produkten geschaffen werden statt eines Angebots, für den es keinen Markt gibt. "Die Schaffung und Stimulierung der Nutzernachfrage wird den 3D-Druck tatsächlich weiter beschleunigen", so Fried.

Die Partnerschaft zwischen Materialise und der Regierung des Industriezentrums Ulsan in Südkorea veranschaulicht diesen Trend perfekt. Seit Juli 2018 unterstützt Materialise Industrieunternehmen in Ulsan im Rahmen von Co-Creation-Projekten bei der Entwicklung von Anwendungen. In den Projekten werden die 3D-Druck-Kompetenzen von Materialise mit den Branchen-, Markt- und Produktkenntnissen der Hersteller kombiniert.

Natürlich verläuft nicht alles reibungslos. Wenn ein Unternehmen von der traditionellen zur additiven Fertigung übergeht, müssen die Konstrukteure neue Regeln beherrschen. Es ist ein Wechsel von "Design for Manufacturing" zu "Design for Additive Manufacturing". Zu wissen, wie das Konstruieren von Metallguss-Teilen funktioniert, reicht in jedem Fall nicht aus, wenn der 3D-Metalldruck eingeführt werden soll.

Das fehlende Know-how ist der Hauptgrund, warum viele 3D-Drucker-Unternehmen Beratungsleistungen rund um die Additive Fertigung anbieten. Sie unterstützen neue Nutzer des 3D-Drucks dabei, die Technologie für ihre Anwendungen optimal zu nutzen.

2. Ein Anstieg der polymeren Materialien für den 3D-Druck

Letztes Jahr sagten wir vorher, dass der 3D-Druck mit Metall 2018 die Aufmerksamkeit erhalten würde, die er verdient. Diesmal sind es die Kunststoffe für den 3D-Druck, bei denen wir ein starkes Wachstum im nächsten Jahr erwarten. Große Materialhersteller spielen bei dieser Entwicklung eine wichtige Rolle.

Giovanni Vleminckx, ein Materialexperte in unserem Forschungs- und Entwicklungsteam, entdeckte bei Materialherstellern wie der BASF einen neuen Impuls, Materialien speziell für den 3D-Druck herzustellen. Er könnte dazu führen, dass neue Materialien aus den F&E-Laboren in reale additive Produktionsumgebungen gelangen.

"Neue Materialien für den 3D-Druck wurden nicht produziert, weil sie nicht auf handelsüblichen Maschinen verarbeitet werden konnten. Nun signalisieren große Materialzulieferer ihre Bereitschaft und ihren Willen, die 3D-Drucktechnologie voranzutreiben. Das führt zu einem stetigen, schnellen Wachstum bei 3D-Druck-Kunststoffen."

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2018 fertigten wir die ersten 3D-gedruckten Bauteile, die in den Kabinen von Airbus Linienfliegern verbaut wurden

Die wachsende Bedeutung einer anwendungsorientierten Herangehensweise zur Innovation im 3D-Druck trägt zu dieser Entwicklung bei. Denn dass die Branchen sinnvolle Anwendungen für den 3D-Druck identifizieren, regt die Materialhersteller dazu an, neue Materialien für diese Anwendungen zu entwickeln und zu zertifizieren. Im Jahr 2018 haben wir bereits zwei neue Kunststoffe in unser Angebot aufgenommen: Polypropylen (PP) zum Lasersintern und Taurus, ein Stereolithographie-Material.

Das Wachstum bei Kunststoffen ist besonders wichtig für hochanspruchsvolle Branchen wie die Luft- und Raumfahrt sowie die Automobilindustrie. Sie benötigen Materialien mit spezifischen Eigenschaften und Anforderungen an die Qualität. Gelegentlich mussten diese Branchen den konstruktiven Nutzen und den Wettbewerbsvorteil, den sie durch die additive Fertigung erhalten, gegen potenzielle Kosten- oder Leistungsnachteile abwägen. Mit neuen Materialien wird dieser Kompromiss nicht mehr notwendig sein. Die Industrie wird in der Lage sein, die Materialien auszuwählen, die für ihre Anwendungen am besten geeignet sind – egal ob für funktionale Prototypen oder für die Serienfertigung.

Die wachsende Nutzung von 3D-Druck in der Produktion führt – anders als die Nutzung im Prototypenbau – zu einem Wachstum in der Werkstoffentwicklung. Der gleiche Anstieg wird auch eine neue Herausforderung mit sich bringen: die Notwendigkeit einer Materialstandardisierung und einer besseren Maschinensteuerung, insbesondere für Branchen mit hohen Qualitätsanforderungen wie die Luft- und Raumfahrt und die Medizintechnik.

In der Zwischenzeit verwenden Unternehmen weiterhin bewährte Materialien für neu identifizierte Anwendungen. Ein gutes Beispiel ist die Partnerschaft zwischen Materialise und Airbus die 2018 zu den ersten 3D-Druck-Teilen führte, die in Kabinen von Passagierflugzeugen von Airbus offen platziert wurden. Die Bauteile bestehen aus einem luft- und raumfahrtzertifizierten Material das Materialise seit 2013 nutzt. Auch die additiv gefertigten, individualisierten Brillen, die als Branchenlösung eingeführt wurden, basieren auf einem bestehenden Material, PA 12. Einen echten Schub wird es hier mit der Einführung neuer Materialien geben, die den Anforderungen der Branche noch besser entsprechen.

Fälle wie diese zeigen, dass die Wirtschaft nicht auf neue Materialien wartet, die für ihre Anwendungen geeignet sind. Die Identifizierung neuer Anwendungen kann jedoch zur Entwicklung neuer Materialien beitragen, indem sie aufzeigt, welche Grenzen bei den Materialeigenschaften zu verschieben sind.

3. Software wird der Schlüssel zur Steigerung der Produktivität beim 3D-Druck sein

Die Materialise-Experten sind sich einig, dass der 3D-Druck einen neuen Reifegrad erreicht. Der 3D-Druck begann vor drei Jahrzehnten als Rapid Prototyping-Technologie, entwickelte sich zu einer Individualisierungstechnologie und wird nun für die Serienfertigung eingesetzt. Da die Industrie daran arbeitet, den 3D-Druck in ihren Produktionsmix zu integrieren, geht es bei ihren Herausforderungen weniger um Technologie als vielmehr um Wirtschaftlichkeit. Ziel ist es, Kosten zu senken und die Effizienz zu steigern.

"Wir müssen die Produktivität und Rentabilität steigern und die Kosten senken. Software spielt dabei eine Schlüsselrolle", sagt Stefaan Motte, Software Vice President bei Materialise.

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Software ist der Schlüssel zur Steigerung der Produktivität

Die Software ermöglicht es, Aufgaben während des gesamten 3D-Druckprozesses zu automatisieren. "Die Automatisierung der manuellen Arbeit während der Vorbereitungsphase, auch während und nach der Produktion, ist bereits eine große Hilfe, um den 3D-Druck skalierbar und kostengünstiger zu gestalten. Das reduziert nicht nur den Arbeitsaufwand, sondern verbessert auch die Effizienz des gesamten Prozesses", so Motte weiter.

Zwei weitere wesentliche Kostenfaktoren sind Verbrauchsmaterialien und Maschinenzeit. Was wäre, wenn Sie die Verschwendung dieser Ressourcen verhindern könnten? Eine weitere Möglichkeit, die Produktivität zu verbessern, besteht in der Simulation des 3D-Druckprozesses. Durch die Integration der Simulation in den 3D-Druck-Workflow können Produktionsmitarbeiter potenzielle Baufehler bereits vor Baubeginn erkennen. Die Vermeidung von Baufehlern kann dazu beitragen, die Produktionskosten drastisch zu senken, die Ausschussquote zu senken und die Gesamtrentabilität zu steigern.

4. Technologie-neutrale Vernetzung, keine proprietären Lösungen

Führende Hersteller in der Automobil-, Luftfahrt- und Konsumgüterindustrie wenden sich wegen der konstruktiven Möglichkeiten dem 3D-Druck zu. Der globale Fertigungsmarkt, der derzeit auf 12 Billionen US-Dollar geschätzt wird, bietet jedoch noch viel mehr Potenzial für die Technologie.

Damit der 3D-Druck dieses Potenzial ausschöpfen und einen größeren Anteil am 12-Billionen-US-Dollar-Markt erringen kann, muss die 3D-Druck-Branche Interoperabilität und technologieneutrale Lösungen anbieten. Wenn Industrieunternehmen es ernst meinen mit der Einführung des 3D-Drucks als ergänzende Fertigungstechnologie für Endprodukte, können sie es sich einfach nicht leisten, an proprietäre Lösungen gebunden zu werden, die ihre Flexibilität und Wahlmöglichkeiten einschränken.

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Die 3D-Druckindustrie muss kompatible und technologie-neutrale Lösungen bieten

"Wenn wir als Branche die Akzeptanz des 3D-Drucks steigern möchten, müssen wir zusammenarbeiten, um mehr Kontrolle, mehr Auswahl an Materialien und Systemen und letztlich niedrigere Kosten zu bieten", erklärt Fried Vancraen.

Die gleiche Überlegung führte Anfang 2018 zu der strategischen Allianz von Materialise mit BASF, dem größten Chemieproduzenten der Welt. Die Allianz soll das Wachstum der 3D-Druckbranche durch Förderung eines offeneren Marktmodells vorantreiben. Die Kombination aus unserer Software und der Expertise der BASF in der Chemie wird die Entwicklung neuer Anwendungen beschleunigen und neue Geschäftsmöglichkeiten schaffen.

5. Die Regierungen werden sich stärker einbringen

"Wir haben gesehen, dass in Regierungsumfeldern über den 3D-Druck diskutiert wird", sagt Bram Smits, Public Policy Officer bei Materialise, "und wir glauben, dass diese Diskussion 2019 deutlich intensiver wird." Dieser Anstieg sei ein Signal, dass der 3D-Druck in der Gesellschaft an Bedeutung gewinnt und sich vom Etikett einer Prototyping-Technologie befreit.

"Es war nicht immer einfach für Regierungen, das Gesamtbild zu sehen, denn der Begriff 3D-Druck wurde für alles verwendet, vom Rapid Prototyping bis hin zur Serienfertigung", erklärt Smits weiter. "Das hat es den Regierungen schwer gemacht, die Potenziale und Risiken des 3D-Drucks für die Bürger abzuschätzen und zu beurteilen, was genau sie versuchen sollten, mit politischen Entscheidungen zu erreichen."

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Die Politik wird sich in Zukunft stärker mit dem 3D-Druck befassen

Die Hauptanliegen der Politik sind die Regulierung des geistigen Eigentums und die Produkthaftung. Die Grundüberlegung ist, dass das 3D-Drucken bei physischen Objekten gleiche Folgen haben könnte wie das Internet bei Musik und Filmen: geänderte Geschäftsmodelle und die Übertragung des gesamten Werts auf die digitale Datei.

"Der 3D-Druck wird die Lieferketten verändern, aber die Regierungen überschätzen, wie viel von dem Wert in der digitalen Datei steckt. Ein Teil des Wertes verschiebt sich vom Objekt in die CAD-Datei und wir müssen überlegen, wie wir diese Dateien regulieren", sagt Smits.

Die Karte, die die 3D-Druck-Dienstleister spielen, ist entscheidend für die Zukunft des 3D-Drucks und wie sie das Leben der Menschen beeinflussen wird. "Die Industrie sollte sich einmischen und mit den Regierungen sprechen und erklären, was die Technologie kann, was sie nicht kann und was sie nie können wird. Damit können wir einen sicheren und guten Rechtsrahmen schaffen, der Bürger, Entwickler und Patienten schützt", so Smits abschließend.

Fazit, mit den Worten von Fried Vancraen

Für 2019 erwarten wir, dass weiterhin neue Anwender ihren Weg in die additive Fertigung finden werden, und wir werden feststellen, dass immer mehr Unternehmen ihre Produktion auf additive Fertigung umstellen oder die additive Fertigung in den Mix aufnehmen. Die Einführung neuer Produkte wird Erfolg und Misserfolg bringen, und beides ist aufgrund der damit verbundenen Lerneffekte entscheidend für dieses stetige Wachstum. Wir erwarten nicht, dass 2019 zu einem Wendepunkt in der Geschichte der additiven Fertigung wird, aber die Weichen für ein weiteres Jahr mit Schritten in Richtung einer additiven Zukunft sind gestellt. Die langsame Revolution geht weiter.

— Fried Vancraen, Materialise CEO

Unsere Experten erläutern die Trends im 3D-Druck für 2019 (engl. Video mit deutschen Untertiteln):


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