INTERVIEW
Finden Sie den richtigen Weg in die Additive Fertigung – unsere Experten von Materialise Mindware begleiten Sie
Die Technologie der additiven Fertigung wurde in den letzten Jahren immer ausgereifter und ist heute eine ernstzunehmende und nahezu etablierte Fertigungsmethode. Doch auch wenn sie heute nicht mehr wegzudenken ist, hat sie nichts von ihrem disruptiven Potential eingebüßt. Wie gehen Sie also am besten vor, wenn Sie über den Einsatz Additiver Fertigung in Ihrem Unternehmen nachdenken? Behandeln Sie sie einfach wie eine weitere Fertigungsmethode für Ihre üblichen Produkte, oder denken Sie auch Produkte und Prozesse ganz neu?
Wir haben mit Sven Hermans und Mathieu Cornelis von Materialise Mindware darüber gesprochen, wie ein gelungener Einstieg in die Additive Fertigung aussieht — und warum es sinnvoll sein kann, um Hilfe zu bitten.
Sven, Mathieu – lasst uns direkt einsteigen. Gibt es Eurer Erfahrung nach einen „richtigen Einstieg“ in die Additive Fertigung, oder auch AM genannt? Was ist dabei zu beachten?
Sven: Selbst wenn Ihnen bereits viel über die Additive Fertigung bekannt ist, wissen Sie höchstwahrscheinlich nicht alles, und die Technologie entwickelt sich rasant. Eine sehr erfolgreiche Strategie besteht darin, ein solches Projekt als Möglichkeit zum Lernen und zum Wissenstransfer zu nutzen. Wenn Sie können, holen Sie externe Expertise ein: Experten für Werkstoffe, Prozesse, Software und Zielsetzung. Große Unternehmen, die mit ihrer globalen Strategie fünf oder zehn Jahre abdecken, planen mit und für Technologien, die es noch gar nicht gibt. Sie können jedoch Entwicklungen prognostizieren und diese in Ihre Planung einfließen lassen.
Es kann auch nützlich sein, unterschiedliche Perspektiven aus Ihrem Unternehmen mit einzubeziehen. Dabei ergeben sich Synergien und übergreifende Themen, die zu ambitionierten Strategien führen können. Und dies gewährleistet auch die Akzeptanz im ganzen Unternehmen, während Sie gleichzeitig sicherstellen, dass die AM-Kenntnisse nicht isoliert in einer einzigen Abteilung bleiben. Je schneller Sie lernen, desto besser wird das Verständnis und desto erfolgreicher wird Ihre AM-Strategie sein.
Mathieu: Ganz egal, ob Sie ein dreimonatiges Projekt durchführen oder mit einem Kunden einen Fahrplan für die nächsten fünf Jahre entwickeln – es gibt immer eine Explorationsphase, eine Experimentierphase und eine Umsetzungsphase, und dazwischen wird Feedback eingeholt. Bei der Explorationsphase geht es darum, Klarheit sowohl über Ihre geschäftlichen Herausforderungen als auch über Ihre Ambitionen zu erlangen. Wie sieht Ihre Idealvorstellung in Bezug auf die Additive Fertigung aus? Im Zuge dessen klären Sie den Umfang Ihres beabsichtigten Projekts und holen jegliche AM-Expertise ein, die Sie brauchen.
Ab diesem Zeitpunkt können Sie mit dem Experimentieren beginnen: schnelle Iterationen, sowie Sprints mit Fail-Fast-Produktentwicklung, die in die Entwicklung einer Anwendung übergehen. An dieser Stelle führen Sie außerdem Marktanalysen durch und erstellen einen Business-Plan. Am Ende des Prozesses haben Sie eine sinnvolle Anwendung, die Sie sofort implementieren und skalieren können, entweder in einer eigenen Fertigung oder durch Outsourcing. Das ist die Kurzzusammenfassung.
Funktioniert das immer so? Was sind typische Fehler, die am Anfang häufig gemacht werden?
Sven: Das kommt darauf an, wie und wo ein AM-Projekt in einem Unternehmen entsteht. Häufig wird der Erwartungshorizont auf eine kurze Projektlaufzeit oder auf niedrige Kosten verengt. Dann wird der Mehrwert nicht berücksichtigt, der durch einen sachgemäßen Einsatz der Additiven Fertigung entstehen kann.
Anstatt einfach ein Teil zu drucken, das für einen anderen Fertigungsprozess konstruiert wurde, kann es sich auszahlen, etwas Zeit zu investieren und herauszufinden, welche weiteren Vorteile sich durch eine etwas andere Konstruktion des Teils gewinnen ließen. Hier sollte man sich Fragen stellen wie: Lassen sich mehrere Teile kombinieren und als Baugruppe drucken? Können wir das Bauteil leichter oder robuster gestalten? Lässt sich eine zusätzliche Funktionalität integrieren?
Mathieu: Ein weiterer häufiger Fehler besteht darin, zu denken, dass Sie die Antwort bereits gefunden haben und diese Lösung einfach nur implementieren müssen. Damit haben wir es häufig zu tun, wenn jemand zu uns kommt und uns erklärt, X oder Y jetzt mit 3D-Druck machen zu wollen. Nach wenigen Fragen zeigt sich dann, worin genau die zu bewältigende geschäftliche Herausforderung besteht. Macht man diesen Schritt zurück, eröffnen sich viele neue Möglichkeiten, die eigentlichen Herausforderungen anzugehen. Deshalb fragen wir immer: „Was möchten Sie eigentlich erreichen? Welches Problem möchten Sie lösen?“.
Wenn Sie sich die Zeit nehmen, überhaupt zu verstehen, warum Sie etwas tun möchten, hält Sie das kaum auf, senkt aber langfristig Ihr Investitionsrisiko.
Gibt es wiederkehrende Themenbereiche, nach denen man Ausschau halten sollte?
Sven: AM ist keine Technologie, die wie ein Gegenstand aus einem Regal genommen und sofort implementiert werden kann. Um mit dieser Technologie erfolgreich zu sein, benötigen Sie fundiertes Fachwissen. Inzwischen haben Führungskräfte die Additive Fertigung auf dem Schirm und geben dedizierte Innovationsbudgets für eine strategische Erforschung frei. Da ist es natürlich sehr verlockend, einfach zu einem Anbieter zu gehen und eine Maschine zu kaufen. Sie müssen nur Geld auf den Tisch legen, und schon haben Sie eine Möglichkeit additiv zu fertigen. Das heißt aber noch nicht, dass Sie auch über ein gutes Geschäftsmodell oder die richtige Anwendung für AM verfügen.
Mathieu: Es kommt darauf an, was Sie mit der Technologie vorhaben. Wir unterstützen Kunden außerdem bei der Entscheidung, ob sie ihre Produktion an einen externen Dienstleister auslagern oder lieber in eine interne AM-Anlage investieren sollten. Es ist jedoch unbedingt erforderlich, dass diese Entscheidung über interne Fertigung oder Outsourcing erst nach der Festlegung der AM-Strategie unseres Kunden erfolgt. Allzu oft erleben wir, dass die Reihenfolge umgekehrt wird. Das ist, als würde man ein Auto kaufen, ohne zu wissen, wie man es fährt und ohne Straßen zu haben, auf denen man fahren kann. Da wird viel Geld investiert und dann sind die Erwartungen riesig – und ein eigenes AM-Programm stellt immer eine Investition dar, ganz egal, ob die Produktion intern oder extern erfolgt. Ohne ein entsprechendes Geschäftsmodell oder eine passende Anwendung aber ist die Enttäuschung am Ende groß. Und dann geben sie womöglich auf, statt von vornherein alles strukturiert zu durchdenken.
Dabei geht es um so viel mehr, als nur auf „Drucken" zu klicken. Im Rahmen unseres Rapid-Prototyping-Angebots erhalten wir nun seit 30 Jahren Dateien mit Druckdaten von unseren Kunden. Diese sehen wir uns an, bewerten sie, überarbeiten sie zuweilen, wählen die jeweils beste Technologie und drucken sie im Anschluss daran. Doch die Additive Fertigung kann mehr als das. Und im Laufe der Jahre haben wir den Menschen dabei geholfen, dieses „mehr“ zu entdecken. Die gute Nachricht ist, dass der Wissensstand zu AM innerhalb der Unternehmen stark gestiegen ist, und viele heute einen weitaus strategischeren Ansatz für den Einstieg in die Additive Fertigung wählen. Das hat sich auch auf unsere Tätigkeit ausgewirkt.
“Es kommt darauf an, unterschiedliche Perspektiven innerhalb Ihres Unternehmens mit einzubeziehen. Dabei tun sich Synergien und größere Themenbereiche auf, die zu ambitionierten Strategien werden können. Und dies gewährleistet auch die Akzeptanz im ganzen Unternehmen, während Sie gleichzeitig sicherstellen, dass die AM-Kenntnisse nicht isoliert in einer einzigen Abteilung bleiben. Je schneller Sie lernen, desto besser wird das Verständnis und desto erfolgreicher wird Ihre AM-Strategie sein.”
Inwiefern?
Mathieu: Unser Ansatz ist es, dabei zu helfen, aus der vorliegenden Anwendung das Bestmögliche zu machen. Wir sorgen dafür, dass die Konstruktionsfreiheiten, die AM bietet, vollständig genutzt werden, schlagen alternative Materialien vor usw.
Wenn jemand eine Idee für ein neues Produkt hat, stehen wir beratend zur Seite. Bevor es an die Entwicklung geht, verschaffen wir uns einen Überblick über die Anforderungen des jeweiligen Marktes und an das Produkt, und versuchen das passende Geschäftsmodell zu finden. Soweit ist das nichts Außergewöhnliches.
Sven: Aber heutzutage kommen immer mehr Leute ganz ohne Idee zu uns. Stattdessen haben sie sehr vage Fragen darüber, was sie eigentlich mit AM machen sollen, oder sie wollen, dass wir ihnen beim Ausarbeiten einer AM-Strategie oder eines AM-Fahrplans helfen, um ihnen mehr Klarheit zu verschaffen.
Das erfordert eine andere Herangehensweise von unserer Seite aus. Wir machen noch immer dasselbe – Klarheit erlangen, Herangehensweisen gründlich überdenken, gemeinsam einen Plan definieren, die Entwicklung durchführen und eine Idee von der Entwicklung bis hin zur Vermarktung begleiten – welche Form auch immer sie im Endeffekt annimmt. Das ist nicht unbedingt anders, aber es ist aufwendiger als zuvor.
Es geht bei unserer Tätigkeit immer noch darum, Klarheit zu schaffen. Und genau darin liegt unsere Stärke, einfach weil wir schon so viele Anwendungen über so viele Bereiche hinweg gesehen und begleitet haben. Und weil wir die Entwicklung der Technologie jahrelang verfolgt haben.
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